Figurines

Blooming Identities I Art N talk Window Galerie I Gotischer Hof I 2023 I Munich

Residenzstr. 13 / 80333 Munich / 17.06.2023 – 15.10.2023 / Opening 16.06.2023

In the tightly enclosed Gothic courtyard on Residenzstraße, a former „Seelhaus“ and monastery building, the award-winning Munich artist Nata Togliatti stages a very special garden: The focus is on the lemon – as a desirable fruit. It appears as glazed ceramic and as part of a performance of female figures shown on a video screen. It is surrounded by flowers and blossom tendrils, the so-called Cave Paintings, which Togliatti has already presented in numerous exhibitions in Berlin, Hamburg, and Munich: floral ornaments that recall a place of her childhood that has long since ceased to exist and with which Togliatti approaches her own identity.

Text by Tanja Beuthien
Sie ist Verführung und Verheißung zugleich: Schon in den Sagen und Mythen der Griechen erscheint die Zitrone als begehrenswerte Frucht. Gehütet von den Hesperiden, den Töchtern des Atlas, bewacht vom hundertköpfigen Ungeheuer Ladon. Abgeschirmt von den Menschen im Hortus Conclusus, einem paradiesischen Garten, in dem alles seinen Anfang nimmt. Im eng umschlossenen gotischen Hof an der Residenzstraße, einem ehemaligen „Seelhaus“ und Klostergebäude, inszeniert die mehrfach ausgezeichnete Münchner Künstlerin Nata Togliatti nun ihren eigenen Hesperidengarten. In ihrer Performance erscheint die Zitrone in ihrer abstrahierten Form aus glasierter Keramik als wertvolles Gut. Weibliche Gestalten, die an die bewegten Figuren in Henri Matisses „Tanz“ denken lassen, bewahren sie, präsentieren sie als Zeichen der Macht. Und übergeben sie an andere, verschenken, vergeben, vermitteln.


Togliatti, die bei Gregor Hildebrandt in der Klasse für Malerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste in München studierte und mit ihrem Werk inzwischen in mehreren renommierten Privatsammlungen vertreten ist, rekurriert auf den symbolischen Gehalt der Zitrusfrüchte, die in Sagen und Geschichten schon immer von Frauen gehegt, geschützt und begehrt wurden. Sie beschwört den griechischen Mythos der Erdenmutter Gaia, die den Wunderbaum zur Hochzeit des höchsten Götterpaares Zeus und Hera stiftete. Und dessen Früchte Herakles schließlich durch eine List raubte. Sie erinnert an den „Goldenen Apfel“, der unter Athene, Aphrodite und Hera zum Zankapfel wurde – und den Paris schließlich der Schönsten überreichen sollte. Sie lässt an den Garten Eden denken, in dem Eva den Verlockungen nicht verstehen konnte. Und sie reiht sich ein in eine künstlerische Tradition, die von mittelalterlichen Madonnenbildern, von barocken Stillleben über die Gemälde von Éduard Manet, Pablo Picasso und Paula Modersohn-Becker bis zu Josef Beuys` energiespendender „Capri-Batterie“ reichen.


„Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn“? hieß Nata Togliattis erste Solo-Schau 2018 – in einem Münchner Supermarkt. Mit diesem Titel bezog sie sich auf eines der berühmtesten deutschen Gedichte: „Kennst Du das Land, wo die Zitronen blühn“?, lässt Johann Wolfgang von Goethe seine Romanfigur Mignon im „Wilhelm Meister“ fragen. „Dahin! Dahin / Möcht ich mit dir, / o mein Geliebter ziehn“. Die Italiensehnsucht des Dichters findet hier ihren Ausdruck. Das Verlangen nach einem anderen Ort, dem Anderssein, der Ferne. Dort, wo die Zitronen blühen, ist eben nicht hier. Dort ist immer anderswo, ist ein mythischer, ein Seelen- und Sehnsuchts- Ort.